Cornelia Funke – Die Feder eines Greifs

Eindruck vor dem Lesen und Erwartungen

Drachenreiter von Cornelia Funke – das war früher eines meiner Lieblingsbücher. Ich glaube, ich las das Buch in der Grundschule. Wenn ich mich richtig erinnere, lasen meine Eltern es mir teilweise noch vor. Ich liebte dieses Buch. Wenn mich jemand heute nach meinen Lieblingsbüchern fragt, dann zähle ich es noch immer gerne mit auf.

Und dann erschien letztes Jahr plötzlich ein zweiter Band. Eben dieser. Ich weiß gar nicht genau, wieso es ein Jahr gedauert hat, dass ich dieses Buch lese. Meine Neugier war eigentlich sofort geweckt.

Die Aufmachung ist, wie man es von Cornelia Funkes Büchern gewohnt ist, sehr ansprechend. Ein grün/blau/grauer Greif ziert das Cover, darauf sitzt etwas, das wie ein Äffchen mit T-Shirt aussieht. Vielleicht ist es auch ein Kobold? Ich stelle fest, dass es wirklich lange her ist, dass ich den ersten Band gelesen habe. Ich erinnere mich natürlich noch an einiges, aber eben nicht an jedes Detail.

Klappentext:

„Der Drachenreiter kehrt zurück!

In der Abgeschiedenheit Norwegens erreicht Ben eine schreckliche Nachricht: Die letzten drei Pegasusfohlen werden vermutlich nie schlüpfen und mit ihnen werden die geflügelten Pferde für alle Zeit aus dieser Welt verschwinden. Um sie zu retten, machen sich Ben und Barnabas mit einem äußerst ungewöhnlichen Expeditionsteam auf den weiten Weg nach Indonesien, um dort eins der gefährlichsten Fabelwesen der Welt zu finden. Denn nur die Sonnenfeder eines Greifs kann die Fohlen vielleicht noch vor dem Tode bewahren. Doch Greife hassen Pferde, und das Wesen, das sie als ihren ärgsten Feind betrachten, ist Bens bester Freund – ein Drache.

Ein neues fantastisches Abenteuer mit Ben und seinem Silberdrachen Lung“

Das Buch enthält auch, wie immer, Illustrationen der Autorin. Ich finde diese immer großartig. Schön finde ich auch die Widmung auf der allerersten Seite:

„Ich habe diese Geschichte nicht für die geschrieben, die die Welt regieren wollen. Nicht für die, die ständig beweisen müssen, dass sie stärker, schneller, besser als alle anderen sind. Oder für die, die den Menschen für die Krone der Schöpfung halten.

Diese Geschichte ist für all die, die den Mut haben, zu beschützen statt zu beherrschen, zu behüten statt zu plündern und zu erhalten statt zu zerstören.“  Cornelia Funke

Man hört an dem Klappentext zwar, dass es sich eher um ein Jugendbuch handelt, aber das heißt ja nicht, dass es schlecht sein wird. Vielleicht werde ich beim Lesen auch merken, dass die Zielgruppe eher nicht (mehr) meine Altersgruppe ist, was mich wirklich enttäuschen würde. Aber eigentlich verspreche mir  viel von diesem Buch und denke/hoffe, dass es mir dennoch gefallen wird. Ich finde, es klingt auf jeden Fall spannend und lesenswert.

Rezension

4,75 Sterne

Handlung  ★★★★★

Mímameiðr in Norwegen. Hier lebt Ben mit seiner Adoptivfamilie, den Wiesengrunds. Sie alle haben es sich zur Aufgabe gemacht, sämtliche fabelhafte Geschöpfe zu retten und zu beschützen. Und jetzt kommt eine besonders schwere Aufgabe auf sie zu: Um die Fohlen des letzten Pegasus zu retten, brauchen sie die Feder eines Greifs und Greifen gelten, nach allem, was sie so lesen, als besonders grausam und feindselig. Es scheint also eine fast aussichtslose Expedition zu werden.

Die Handlung ist großartig. Anders kann ich es gar nicht beschreiben. Wahnsinnig spannend, vor allem auch durch die wechselnden Perspektiven. Mal ist man mit Ben, Barnabas und den anderen Expeditionsteilnehmern auf einer der indonesischen Inseln und verfolgt gespannt ihre Abenteuer. Dann ist man wieder bei Vita und Guinever in Mímameiðr und sieht, wie die Zeit, die noch zur Rettung der Fohlen bleibt, immer knapper wird. Toll ist auch, wie die Autorin es schafft, so viele verschiedene Geschöpfe einzubauen, ohne dass es zu überladen wirkt. Und unter diesem großartigen Fantasy-Roman verbirgt sich außerdem eine eindeutige Message, die die Autorin bereits in ihrer Widmung beschreibt: Es ist wichtiger zu beschützen, zu erhalten und friedlich miteinander umzugehen, egal wie unterschiedlich man ist, als sich gegenseitig zu bekriegen und zu beherrschen.

Charaktere ★★★★★

Es gibt eine Vielzahl an Charakteren und alle so völlig unterschiedlich mit verschiedensten Eigenarten und Charakterzügen. Und genau diese Vielfalt macht das Lesen sehr spannend und auch teilweise sehr unterhaltsam.

Setting ★★★★★

Sehr passend, wie ich finde. Wo auf der Welt könnte man besser eine Schutzstation für fabelhafte Wesen ansiedeln als in Norwegen, das in so vielen Sagen, Märchen und Mythen noch eine Rolle spielt? Der Name Mímameiðr stammt ja auch aus der nordischen Mythologie und ist passend gewählt, wie ich finde. Gerne hätte ich gewusst, ob einer der Charaktere im Buch diesen Namen gewählt hat und aus welchem Grund. Vielleicht habe ich die Antwort darauf auch überlesen.

Die Beschreibung der Orte finde ich auch großartig. Vor allem die Insel in Indonesien kann man sich, dank der sehr farbenfrohen und anschaulichen Beschreibung, sehr gut vorstellen.

Das Ganze spielt in der heuteigen Zeit, die Menschen haben Handys, nutzen Skype und so weiter. Nett finde ich die Idee der Autorin, dass die Anwesenheit von Fabelwesen die Funktion mancher technischer Geräte stört.

Schreibstil ★★★★

Das Buch ist durchweg toll geschrieben. Sehr mitreißend, sehr spannend, sehr anschaulich. Selbst die Stellen, an denen „nur“ beschrieben wird, Stellen, die sich in anderen Büchern manchmal sehr in die Länge ziehen, sind hier kein bisschen langweilig. Zwei Kleinigkeiten habe ich allerdings auszusetzen: Mímameiðr ist durchgehend ausschließlich in Großbuchstaben geschrieben, also MÍMAMEIÐR, und das störte meiner Meinung nach ein wenig das Schriftbild und ließ mich jedes Mal beim Lesen stocken. Außerdem störte es mich immer ein wenig, dass statt „Adoptiveltern“ oder „Adoptivvater“ (usw.) da jedes Mal „adoptierte Eltern“, „adoptierter Vater“ (usw.) stand. Aber beides sind eher Kleinigkeiten und im Großen und Ganzen finde ich den Stil, wie gesagt, sehr gut.

Meinung nach dem Lesen

Nach fast 20 Jahren erscheint eine Fortsetzung eines meiner Lieblingsbücher aus Kindertagen. Was soll man erwarten? Was, wenn man jetzt so viel älter ist, dass es einem nicht mehr gefällt? Und was, wenn einem das auch den Vorgängerband, das langjährige Lieblingsbuch kaputt macht? All diese Zweifel waren völlig unbegründet. Ja, vielleicht merkt man an manchen Stellen, dass die Zielgruppe auch eine jüngere ist. Aber das stört überhaupt nicht. Das Buch ist großartig. Diese Vielzahl an Tieren und Wesen ist beeindruckend, die verschiedenen Charaktere sind einfach fantastisch. Alles ist mit so viel Liebe beschrieben. Und es ist wahnsinnig spannend. Dazu ist es noch großartig verziert mit Illustrationen der Autorin selbst.  Ich denke, an diesem Buch kann jede Altersgruppe seine Freude haben. Für Cornelia Funke ist man einfach nie zu alt!

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